Das Lernen mit Videos ist inzwischen für viele Lernende schon selbstverständlich. Kein Wunder, dass auch die Digital Fellows sich mit dem Einsatz von Videos in der Hochschullehre auseinandersetzen. Drei dieser Vorhaben möchten wir Ihnen hier vorstellen.
Während der gemeinsame Fokus auf Videos und die damit einhergehenden Ziele sie eint, verweisen ihre unterschiedlichen fachlichen Kontexte auf die vielseitige Einsetzbarkeit von video-gestütztem Lernen. Jennifer Vaupel ist studentische Koordinatorin für Umweltbildungsangebote der TUUWI (TU Dresden), Prof. Dr. Stephanie Schiedermair hat den Lehrstuhl für Europarecht, Völkerrecht und Öffentliches Recht an der Universität Leipzig inne und Prof. Dr. Thilo Bertsche jenen für Klinische Pharmazie an der Universität Leipzig.
Videos in der Lehre – Das Mittel der Wahl für Flexibilisierung und Individualisierung?
Videos sind vielseitig einsetzbar: Erklärvideos, aufwändige Filmdokumentationen, Spielfilmauszüge, Vortragsaufzeichnungen oder Videoprotokolle sind nur ein paar unterschiedliche Varianten. Können Sie uns kurz erläutern, welche Art von Videos Sie einsetzen und wie Sie diese in Ihr didaktisches Konzept einbinden?
Frau Vaupel: Die studentische TU-Umweltinitiative (TUUWI) führt seit 30 Jahren selbstorganisiert Umweltbildung in Form von Ringvorlesungsreihen und anderen Lehrformaten an der TU Dresden durch. Die E-Learning-Plattform OPAL wird bereits durch die Bereitstellung von Vorlesungsunterlagen sowie z.T. Audio-Mitschnitten und zur Lehrveranstaltungsverwaltung genutzt. Mit Hilfe des Digital Fellowship Programms möchten wir jetzt neue Möglichkeiten zum Bereitstellen der Veranstaltungsinhalte in Bild und Ton schaffen. Die Vorträge werden von Gastreferierenden überwiegend nur für die Vorlesungsreihe konzipiert und sind somit einmalig. Durch die Aufzeichnungen werden sie dokumentiert, aufbereitet und archiviert und so einem erweiterten Kreis von Studierenden zugänglich gemacht. So wird z. B. ausländischen Studierenden das Verständnis der Inhalte durch Untertitel der Videos erleichtert.
Prof. Dr. Bertsche: In der Klinischen Pharmazie sollen Demonstrationsvideos mit Beratungsgesprächen in der öffentlichen Apotheke beziehungsweise in unserer Lehrapotheke eingesetzt werden. Die Videos sollen dabei die Berufsfähigkeit und -fertigkeit verbessern. Den Studierenden werden auf diese Weise inhaltliche und kommunikationswissenschaftliche Aspekte noch anschaulicher vermittelt. Professionelle Mustergespräche einerseits und eigene Beratungsgespräche der Studierenden andererseits sollen als Elemente eingesetzt werden. Durch letztere sollen beispielsweise auch im Rollenspiel gedrehte Videos als Feedback-Instrument genutzt werden. Bestimmte Aspekte können beispielsweise in begleitenden Seminaren anschaulich demonstriert werden und so zur Übernahme positiver Aspekte in die eigene Beratungspraxis genutzt werden.
Prof. Dr. Schiedermair: Mit den Videos soll das Lehrangebot des Lehrstuhls für Völker- und Europarecht um digitale Inhalte ergänzt werden. Hierfür werden sukzessive vom Lehrstuhl angebotenen Kurse und Lehrveranstaltungen aufgezeichnet und als Video online verfügbar gemacht. Angedacht sind mindestens zwei verschiedene Sprachfassungen (Englisch & Deutsch). Die Videos werden anschließend mit entsprechender Video-Software um Referenzen und Verweise/Texte erweitert bzw. ergänzt. Anschließend werden die Videos online gestellt und auf Moodle bzw. der Seite des Lehrstuhls verfügbar gemacht. Im Laufe der Zeit entsteht hierdurch ein ganzes Portfolio an Videos zu einzelnen Themen auf dem Gebiet des Völker- und Europarechts. Zusätzlich können Veranstaltungen von Lehrbeauftragten aufgezeichnet werden und die einmalig angebotenen Lehrinhalte damit an der hiesigen Fakultät reproduziert werden.
Inwiefern unterstützen die Videos den Lernprozess Ihrer Studierenden? Welche Rolle spielen diese in Bezug auf die Flexibilisierung und Individualisierung des Lernprozesses?
Frau Vaupel: Der Videoeinsatz hilft den Studierenden vor allem bei der Prüfungsvorbereitung, genau wie die Möglichkeit, alle Vorlesungsinhalte jederzeit abrufen und nacharbeiten zu können. Außerdem ist eine erfolgreiche Teilnahme an den Bildungsangeboten nicht mehr eine Frage der physischen Anwesenheit. Das Projekt bietet allen Interessierten einen niedrigschwelligen Zugang zu den Lehrinhalten. Dies ist in einer Zeit, in der sich eine steigende Zahl an Menschen für Umwelt- und Klimathemen interessiert, von Vorteil. Die Archivierung vergangener Veranstaltungen kann darüber hinaus als Möglichkeit gesehen werden, (Lern-) Inhalte zu verknüpfen, thematische Zusammenhänge zu erkennen und das eigene Wissen zu vertiefen.
Zusammengefasst profitieren die Studierenden durch die zeitlich und örtlich unabhängige Verfügbarkeit der Lehrmaterialien von einer individuellen sowie flexiblen Gestaltung ihres Lernens; ihr Selbststudium und ihre Selbstlernkompetenzen werden unterstützt. Nicht zuletzt steigert eine Auseinandersetzung mit den digitalen Möglichkeiten den Erwerb von notwendigen Kompetenzen für eine digital geprägte Welt.
Prof. Dr. Bertsche: In Ergänzung unseres Präsenzkonzepts der Lehrapotheke als praktische Präsenzveranstaltung können die Studierenden die Videos auch zur Vor- und Nachbereitung nutzen. Auf diese Weise können die Studierenden flexibel und angepasst an die individuellen Ausgangsbedingungen und Lernfortschritt bestimmte fachliche und kommunikative Lerneinheiten flexibel und individuell auch selbst erarbeiten. Dadurch soll auch eine noch gezieltere und erfolgreichere Vorbereitung auf die Leistungskontrollen der entsprechenden Module ermöglicht werden.
Prof. Dr. Schiedermair: Die E-Learning-Inhalte schaffen für Studierende größtmögliche Flexibilität in zeitlicher und räumlicher Hinsicht. Im Gegensatz zu klassischen Präsenzveranstaltungen sind die Studierenden nicht an fixe Termine gebunden, sondern können sich den Wissenserwerb nach Maßgabe ihrer zeitlichen Präferenzen einteilen. Dies verbessert die Studierbarkeit für Studierende mit Kind, für berufstätige Studierende oder für Studierende mit körperlichen Einschränkungen. Zugleich ermöglicht die Aufzeichnung bzw. Virtualisierung eine Standardisierung der Qualität des Lehrangebots. Die E-Learning Inhalte können mit zusätzlichen Inhalten und Referenzen wie z. B. Texten angereichert werden und sind im Gegensatz zur Präsenzveranstaltung beliebig oft wiederholbar.
Was ist in Ihrem Fellowship das Innovative und Besondere am Videoeinsatz?
Frau Vaupel: Die Umweltringvorlesungen werden von der Konzeption bis zur Klausurkontrolle von Studierenden durchgeführt. Hierbei stehen die studentische Selbstorganisation sowie das Prinzip „von Studierenden für Studierende“ im Vordergrund. Die weiterführende Digitalisierung soll eine „Lehre für Alle“ ermöglichen und den Zugang zu den umfassend gestaltenden Umweltbildungsangeboten niedrigschwelliger realisieren. So werden besonders Menschen angesprochen, welche durch bspw. familiären Verpflichtungen, örtliche Distanz oder körperliche Einschränkungen nicht an den Umweltbildungsangeboten teilnehmen können – es wird so die Teilhabe an den wissenschaftlichen Diskursen inklusiv gewährleistet.
Darüber hinaus versuchen wir unseren ökologischen Anspruch auch bei diesem Projekt beizubehalten. Deswegen recherchieren wir verstärkt nach möglichst nachhaltigen Speicher-und Hostingmöglichkeiten. Dazu zählt zum Beispiel, dass die Server mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden und durch Komprimierung und Verzicht auf unnötige Softwarebausteine der Datendurchsatz geringgehalten wird.
Prof. Dr. Bertsche: Die Lehrapotheke an sich ist schon eine innovative Veranstaltung, die eine bessere Vorbereitung der Studierenden an die Berufswirklichkeit ermöglicht. Die Veranstaltung wurde in Lehrevaluationen von den Studierenden sehr gelobt und eine stärkere Betonung solcher berufsrelevanter Formate in der curricularen Lehre gefordert. Diesem Wunsch entsprechen wir mit diesem zusätzlichen Videoangebot. Durch die Förderung des Digital Fellowships konnte der innovative Charakter durch neue Elemente betont werden. Zudem sollen die Videos der eigenen Beratungen das Selbstvertrauen in die eigenen Kompetenzen fördern und eine kritische Auseinandersetzung mit noch optimierungsfähigen Aspekten ermöglichen. Damit werden neue Möglichkeiten zur Nachhaltigkeit des Feedbacks geschaffen.
Prof. Dr. Schiedermair: Sobald die Lehrinhalte digitalisiert wurden, kann auf diese wiederholt zurückgegriffen werden. Dies ermöglicht – anders als bei Lehrveranstaltungen – nicht die stete Wiederholung und Vorbereitung der Inhalte, sondern eine stetige Erweiterung und Überarbeitung des Vorhandenen. Soweit die Infrastruktur geschaffen ist, kann der Wissens- und Lehrbestand sukzessive erweitert werden und ist damit unabhängig von der jeweiligen Besetzung des Lehrstuhls und seines Wissensstandes.
Können Sie anderen Lehrenden noch weitere Hinweise und Erfahrungen zum Videoeinsatz mitgeben?
Frau Vaupel: Unser Projekt steht noch ganz am Anfang. Daher können wir noch nicht viele Erfahrungen weitergeben. Es empfiehlt sich generell – besonders was die Hardware betrifft – zunächst bei der eigenen Hochschule zu recherchieren. Die meisten Hochschulen besitzen schon ein ausreichend ausgestattetes Medien- oder Ausleihzentrum; oder wie bei der TU Dresden ein Zentrum für Vorlesungsaufzeichnung. Das erleichtert die technische Materialbeschaffung ungemein! Im Laufe des Förderzeitraums wird ein Leitfaden erarbeitet, der anderen Hochschulgruppen und darüber hinaus die Nutzung digitaler Werkzeuge erleichtert. Hier ist eine umfassende Dokumentation aller technischen und rechtlichen Anforderungen als auch mögliche Herausforderungen, sowie passender Netzwerkpartner*innen usw. angedacht. Der Leitfaden soll öffentlich zugänglich und universell anwendbar sein. Dort teilen wir dann alle Erfahrungen sowie Tipps und Tricks rund um die (studentisch organisierte) Vorlesungsaufzeichnung.
Prof. Dr. Bertsche: Es muss nicht immer gleich das perfekte professionelle Video mit professionellen Patientenschauspielern sein. Häufig helfen gerade auch im Rollenspiel der Studierenden gezeigte Aspekte besonders anschaulich weiter. Videos sind auch ein gutes Instrument für ein Feedback, um die eigene Wahrnehmung um eine „Außenperspektive“ zu ergänzen. Durch die Videos können auch Fallvignetten behandelt werden. Diese Aspekte können auch für andere Studiengänge, in denen ein fallbasiertes Arbeiten relevant ist, von Vorteil sein. Dies gilt insbesondere auch für medizinische Studiengänge.